(9.1.16) Im Arbeitskreis „Willkommen in der Bahnhofstraße“ hatten betroffene Bürgerinnen und Bürger mit ihrem großem Engagement dazu beigetragen, dass für den dort vorgesehenen Standort zur Flüchtlingsunterbringung gemeinsam mit den Gemeinderäten ein vertrauensvolles Einvernehmen erzielt wurde, das in der Gemeinderatssitzung vom 22.07.15 in einem einstimmigen Beschluss über deren Ausgestaltung mündete (wir berichteten).
Gerade mal vier Monate später aber wurde wurden Teile dieses Beschlusses vom gleichen Gremium – wiederum einstimmig – gekippt. Der Arbeitskreis empfand dies als massiven Vertrauensbruch und hat demgemäß nun auch kein Vertrauen in den Bestand des neuen Beschlusses. Er wurde von den Entscheidungsträgern über die Planungsänderungen nicht informiert. Die Versuche des Arbeitskreises, mit den Verantwortlichen in Politik und in Verwaltung in einen erneuten konstruktiven Dialog zu kommen - darunter auch ein selbst verfasstes "Märchen von den verlorenen Bürgern", das Verwaltungsspitze und den Gemeinderäten vor Weihnachten übermittelt wurde - blieben vergeblich. Die Reaktion aus der Verwaltung: auf Nachfrage eine falsche (!!!) Rechtsmittelbelehrung durch den Rechtamtsleiter.
Um die Sichtweise der unmittelbar Betroffenen in der Bahnhofstraße und die Hintergründe derzulegen, baten Mitglieder des Arbeitskreises nun Vertreter des lokalen Mediendiensts Zukunft Waldbronn (ZW) und der Bürgerinitiative Unser Waldbronn (BI) zu einem gemeinsamen Interview:
"ZW/BI: Sie üben Kritik am Vorgehen der Gemeinde zur geplanten Asylbewerberunterkunft in der Bahnhofstraße. Können sie uns schildern wie es dazu gekommen ist?
Anfang Mai bekamen wir von der Gemeinde Waldbronn eine schriftliche Benachrichtigung, dass auf dem gemeindeeigenen Grundstück in der Bahnhofstraße 13a eine Unterkunft für ca. 30 Flüchtlinge errichtet werden soll und wir wurden zu zwei Informationsveranstaltungen am 3. 6. Und 11.6. 2015 eingeladen. Hier sollten wir auch die Möglichkeit bekommen Anregungen vorzutragen. Da wir an einer konstruktiven Mitarbeit zur Lösung der Probleme bei der Flüchtlingsunterbringung interessiert sind und uns kaum Informationen über die derzeitige Situation in der Gemeinde und allgemein vorlagen, haben wir die Gemeinde in einer schriftlichen Anfrage gebeten, uns einige Fragen hierzu im Vorfeld zu beantworten.
Dies ist nicht geschehen und wir wurden auf die offiziellen Termine verwiesen. Auch weitere Anschreiben von uns wurden ignoriert und es war nicht möglich über die Gemeinde Informationen zu bekommen. Dies war sehr bedauerlich, denn wie sollen wir Anregungen vorbringen, wenn uns die Hintergrundinformationen fehlen?
ZW/BI: Was haben die Informationsveranstaltungen ergeben?
Auf den Veranstaltungen wurden, neben allgemeinen Aspekten zur Flüchtlingssituation, weitere in Frage kommende Standorte für den Neubau von Gebäuden für die Anschlussunterbringung in der Gemeinde vorgestellt. Dies wurde im Eilverfahren durchgezogen und es war nicht möglich, die Bewertungskriterien in dieser kurzen Zeit nachzuvollziehen. Es zeichnete sich jedoch ab, dass die Bahnhofstraße der favorisierte Standort ist. Hierzu lag bereits die Grundrissskizze für einen eingliedrigen, eingeschossigen Gebäudekomplex vor, in dem bis zu 30 Personen untergebracht werden können. Diese Planung wurde als Variante II bezeichnet.
ZW/BI: Welche Kritikpunkte führen sie gegen dieses Vorhaben an?
Um eines klarzustellen: die Bürger der Bahnhofstraße haben sich niemals gegen eine Unterbringung von Flüchtlingen an diesem Standort gewandt und dies auch gegenüber der Gemeinde und nach außen deutlich gemacht. Jedoch gab es seitens der Gemeinde Überlegungen, das Bauvorhaben so zu gestalten, dass durch eine Gebäudeaufstockung im Bedarfsfall mehr als 30 Personen untergebracht werden können
(Gemeinderatssitzung am 28.1.2015). Die Konzentration einer größeren Anzahl von Flüchtlingen an einem Standort sehen wir als problematisch an. Sie verhindert Integration eher als dass sie sie fördert, führt zu vermehrten Spannungen bis hin zu gewalttätigen Auseinandersetzungen der Flüchtlinge untereinander und schürt Ängste und Vorbehalte innerhalb der Bevölkerung.
Deshalb fordern wir eine möglichst dezentrale Verteilung der Flüchtlinge auf mehrere Standorte mit jeweils begrenzter Personenzahl innerhalb der Gemeinde. Die Unterbringung dieser Menschen geht schließlich alle etwas an und sollte daher nicht nur den Anwohnern eines einzigen Gebiets aufgebürdet werden. Auch die Anmietung von Privatwohnungen durch die Gemeinde sollte mehr Beachtung finden. Jedoch war und ist nicht ersichtlich, dass sich die Gemeinde um weitere Standorte bemüht. Ganz im Gegenteil sind im weiteren Verlauf etliche Standorte, z.T. ohne Angabe von Gründen oder mit fadenscheinigen Aussagen von der Liste verschwunden. Dieses Vorgehen und die intransparente Informationspolitik der Gemeinde hat bei uns größte Bedenken ausgelöst. Wir vermuten, dass es eben nicht bei der angedachten Personenzahl von 30 Menschen bleiben wird und die Bahnhofstraße letztendlich als einziger Standort übrig sein wird.
ZW/BI: Wie ging es weiter?
Da unsere Anfragen und Bedenken bei der Gemeinde kein Gehör fanden, es falsche Darstellungen diesbezüglich im Gemeindeblatt gab und Gerüchte kursierten wir würden in die ganz „rechte Ecke“ gehören, haben wir in unserer Not die Gemeinderäte zu einem offenen Gespräch mit den Anwohnern in die Bahnhofstraße eingeladen (20.6.2015).
ZW/BI: Was ist dabei herausgekommen?
Erfreulich war die Resonanz, die diese Einladung bei den Anwohnern und Gemeinderäten hervorrief. Mit zahlreichen Teilnehmern wurde hier das Thema Flüchtlingsunterkünfte in ruhiger und sehr konstruktiver Weise besprochen. Unsere Forderungen nach einer Personenzahlbegrenzung und Verteilung auf mehrere Standorte fanden die Zustimmung der Gemeinderäte. Zudem sollte der geplante Gebäudekomplex dahingehend geändert werden, dass er zum einen eine auch für die unterzubringenden Menschen ansprechendere Form erhält und die Möglichkeit einer flexiblen Nutzung besteht. Eine Aufstockung oder nachträgliche Erweiterung hingegen sollte ausgeschlossen sein.
Bei der folgenden Gemeinderatssitzung am 24.06. wurden diese Anliegen vorgetragen, diskutiert und begründet. Folgerichtig bekam die Verwaltung von den Gemeinderäten den Auftrag die Gebäudeplanung dahingehend überarbeiten zu lassen. Dies ist geschehen und bei der entscheidenden Gemeinderatssitzung am 22.07.2015 lagen drei neue Konzepte vor. Die Gemeinderäte votierten einstimmig für Konzept III, einen dreiteiligen Gebäudekomplex für 30 Personen, die teuerste Variante. Von unserer Seite hätte es gegen keine der drei neuen Planungen Einwände gegeben.
ZW/BI: Dann ist doch alles in ihrem Sinn gelaufen, welche Einwände haben sie noch?
In der Gemeinderatssitzung am 25.11. wurde dieser Beschluss wieder rückgängig gemacht. Zu teuer hieß es plötzlich. Aufgrund schwieriger Bodenverhältnisse würden die Baukosten steigen. Hat man das trotz verschiedener Gutachten und Kostenberechnungen nicht vorher gewusst? Auch im Gemeinderat wurde Kritik über mangelhafte Vorarbeiten, die Informationspolitik der Gemeindeverwaltung und Fehler bei der Kostenberechnung laut, dennoch wurde das vorher aus guten Gründen gewählte Planungskonzept III nun genauso einstimmig wie zuvor verworfen! Die beiden anderen Konzepte standen überhaupt nicht mehr zur Diskussion. Beschlossen wurde nun die Umsetzung einer Variante I. Jetzt fragen wir uns, welches ist diese Variante I? In allen uns vorliegenden Planungen gibt es sie nicht. Hat der Gemeinderat über etwas abgestimmt, das es nicht gibt oder haben wir etwas verpasst? Gibt es womöglich doch eine Variante l, die der Öffentlichkeit vorenthalten wurde?
Offensichtlich handelt es sich um die erste Fassung, welche bei der Gemeinderatssitzung am 03.06.15 vorgestellt wurde, damals aber die Bezeichnung Variante II trug. Verwirrend, nicht wahr? Genau diese Variante wurde noch vor wenigen Wochen als nicht zielführend ebenso einstimmig abgelehnt.
Wie kann es sein, dass einstimmig gefasste Beschlüsse in so kurzer Zeit wieder rückgängig gemacht werden können? Noch dazu auf der Basis schlechter Vorarbeiten und nicht korrekter Berechnungen! Wie verlässlich sind dann Gemeinderatsbeschlüsse überhaupt? Ist alles beliebig? Können wir den Aussagen zur Personenzahldeckelung, unserem Hauptanliegen, noch Glauben schenken? Ist der Bezeichnungs-Wirrwarr der Planungsvarianten womöglich eine gezielte Taktik zur Irreführung (vielleicht merkt es ja niemand, dass die Gemeinde wieder auf „Anfang“ zurück gegangen ist). Oder ist es nur die Unfähigkeit der Verwaltung, nachvollziehbare Bezeichnungen zu finden?
ZW/BI: Welches Fazit ziehen sie daraus?
Die seit einiger Zeit proklamierte, verstärkte Bürgerbeteiligung ist nicht wirklich gewollt. Es sind nur schöne Worte. Wenn es konkret um etwas geht ist es schwer Informationen zu bekommen. Man hat den Eindruck, dass diese soweit und solange wie möglich, auch gegenüber den Gemeinderäten, zurückgehalten werden. Selbst bereits beschlossene Punkte können willkürlich und nach Belieben komplett geändert werden. Es gibt somit keine Verlässlichkeit mehr.
Wofür soll man sich dann überhaupt noch einsetzen? Unser Vertrauen in die Arbeit der Gemeindeverwaltung und ihrer gewählten Vertretern hat schwer gelitten. Und wir befürchten, dass dieses Beispiel symptomatisch für die derzeitige Politik ist."
ZW/BI: Welche aktivitäten - außer dem Widerspruch gegen den Gemeinderatsbeschluss - haben Sie darüber hinaus unternommen?
Wir haben am 20.12. an Herrn Bürgermeister Masino sowie an die Gemeinderäte ein Schreiben mit dem (Anmerkung: selbst verfassten!) Märchen "Die verlorenen Bürger" versandt, um unsere Stimmungslage zu äußern. Außer Herrn Störzbach hat sich niemend für unser Anliegen interessiert."
Das Begleitschreiben zum Märchen lautete:
"Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Gemeindeverwaltung,
das Jahr neigt sich zu Ende und kurz vor Weihnachten ist die Zeit der Besinnlichkeit. Der Arbeitskreis Willkommen in der Bahnhofstraße wollte daher unserer Gemeindeverwaltung und speziell Ihnen als dem Vertreter aller Bürger eine kleine Aufmerksamkeit, die die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und den Bürgern der Gemeinde widerspiegelt, zukommen lassen.
Es war keine leichte Aufgabe etwas Passendes zu finden. Wir haben es aber doch geschafft unsere Gefühle und Meinungen so zu verpacken, dass wir Ihnen diese heute in Form eines Märchens zukommen lassen möchten.
Für das Neue Jahr wünschen wir Ihnen gute Besserung und eine gute Zusammenarbeit mit unserem Souverän, dem Gemeinderat.
Freundliche Grüße
Arbeitskreis Willkommen in der Bahnhofstraße"
Hier gehts weiter zum "Märchen von den verlorenen Bürgern".
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